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In Berlin leben 6.032 Menschen auf der Straße oder in Behelfsunterkünften, dazu 2.364 Menschen in verdeckter Wohnungslosigkeit bei Angehörigen, Freunden oder Bekannten. Davon nutzen täglich bis zu 1.200 Personen das Angebot der Berliner Kältehilfe. Welche zusätzlichen Angebote und Strategien sind notwendig, um noch mehr Menschen zu erreichen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der diesjährigen Abschlussveranstaltung der Berliner Kältehilfe.
Die Reihen der St.-Thomas-Kirche am Mariannenplatz waren gut gefüllt als Ingo Bullermann, Geschäftsführer der Neue Chance gGmbH, am 7. April die diesjährige Abschlussveranstaltung der Berliner Kältehilfe eröffnete. Die Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe, ein Projekt der GEBEWO pro gGmbH, hatte Kooperationspartner*innen, Träger, Initiativen, Gemeinden, bezirkliche und staatliche Vertreter*innen sowie Expert*innen in eigener Sache zu einem fachlichen Austausch zum Thema Niedrigschwelligkeit der Versorgungsangebote eingeladen.
In ihrer Begrüßung hob Pfarrerin Rebecca Marquardt-Groba die Wichtigkeit des Ehrenamts vor dem Hintergrund schrumpfender finanzieller Mittel hervor. Die Gesellschaft brauche dringend Carearbeit. Cansel Kiziltepe, Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung des Landes Berlin, dankte allen Akteur*innen der Berliner Kältehilfe. Sie habe viel menschliche Wärme und Hilfsbereitschaft bei ihren Projektbesuchen erlebt. Die Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030 sei eine große sozial- und wohnungspolitische Herausforderung, die eine gemeinsame Kraftanstrengung erfordere.
Jens Aldag von der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe gab einen Einblick in die erfassten Zahlen zur Nutzung der Angebote: So ist der Bedarf an Notübernachtungsplätzen in der ablaufenden Kältesaison gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen. Durchschnittlich wurden 1.072 Übernachtungsplätze nachgefragt. Der Anteil an Frauen ist demgegenüber konstant geblieben: Im Durchschnitt suchten täglich 256 Frauen eine Notunterkunft auf. Das Maximum lag bei 296 Frauen.
Der Winter war vergleichsweise mild. Ein Kälteeinbruch im Februar führte jedoch zu einem sprunghaften Anstieg des Bedarfs an Übernachtungsplätzen. So wurde die höchste Auslastung mit 96,3 Prozent bei 1.159 Gästen am 13. Februar erreicht. Die maximale Zahl an Nutzer*innen lag bei 1.201 am 18. Februar. In Absprache mit der Senatsverwaltung ASGIVA konnten kurzfristig 50 zusätzliche Plätze in der Notübernachtung am Containerbahnhof realisiert werden. Zudem konnten 15 zusätzliche Plätze in der Notübernachtung Ohlauer Straße bereitgestellt werden. Ohne diese zusätzlichen Plätze wäre die Lage sehr prekär geworden, da Instrumentarien fehlen, um kurzfristig auf erhöhte Nachfragen durch zum Beispiel Kälteeinbrüche reagieren zu können.
Neben den zusätzlichen Kapazitäten hob Jens Aldag zwei weitere positive Ereignisse der Kältesaison 2024/25 hervor: Durch den Ankauf der Immobilie durch das Land Berlin konnte die Notunterkunft für Frauen Evas Obdach langfristig gesichert werden. Angesichts der äußerst schwierigen Immobiliensituation für niedrigschwellige soziale Angebote wäre es wünschenswert, wenn dieser Lösungsweg Schule machen würde. Das nächste Ereignis ist laut Jens Aldag eher ambivalent zu betrachten, da es zwar das besondere Engagement der Ehrenamtlichen, aber auch die medizinisch-pflegerische Unterversorgung obdachloser Menschen zeigt: In einem Nachtcafé haben sich die Mitarbeiter*innen ehrenamtlich rund um die Uhr um einen Gast gekümmert, der nach einer Messerattacke zu früh und zu schwach aus dem Krankenhaus entlassen wurde.
Der Rückblick zeigt aber auch, so das Resümee, dass die Kältehilfe täglich maximal 20 Prozent der Menschen erreicht, die in Berlin auf der Straße leben. Welche zusätzlichen Angebote und Strategien sind notwendig, um noch mehr Menschen zu erreichen? Welche Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung niedrigschwelliger Projekte? Und wie können diese niedrigschwellig bleiben und trotzdem den gestiegenen Bedarfen der Zielgruppe gerecht werden? Diese und weitere Fragen wurden bei einem sich anschließenden World-Café zum Thema Niedrigschwelligkeit der Versorgungsangebote lebhaft diskutiert.
Zum Ende der Kältehilfeperiode 2024/25 stehen aktuell noch insgesamt 1.112 Plätze zur Verfügung. Diese reduzieren sich ab dem 15. April auf 987 Plätze und ab Mai – bis zum Beginn der nächsten Kältehilfeperiode 2025/26 – auf circa 450 Plätze in insgesamt elf ganzjährigen Einrichtungen.
Neue Chance gGmbH